Auf Augenhöhe – Das Lehrer-Schüler-Eltern-Gespräch

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Kinder sollten in der Schule nicht zum Objekt werden und sich dadurch als hilflos in ihrem eigenen Lernprozess erleben.
Erfreulicherweise scheint dies in immer mehr Schulen anzukommen und Kinder bekommen zusehends ein Mitspracherecht, wenn es um schulische Dinge geht.
Was im Unterricht immer mehr Routine bekommt, ist in anderen Teilen des Schullebens oft noch eine Ausnahme. Besonders drastisch zeigt sich dies bei Elterngesprächen, insbesondere in der Grundschule. Da man per se davon ausgeht, dass Kinder in dieser Altersstufe noch zu jung seien, um zu verstehen, was in solchen Gesprächen vor sich geht. 
Aus Sicht des Kindes muss dann das Geschehen zwischen Eltern und Lehrern wie eine Black Box erscheinen. Man weiß nicht, was „drinnen“ passiert und kann auch nicht vorhersagen, was „hinten“ rauskommt. Jedes Kind muss sich also darauf verlassen, dass ihm oder ihr erzählt wird, was besprochen wurde. Wer unter diesen Bedingungen erwartet, dass Kinder sich für ihren eigenen Lernprozess verantwortlich fühlen: Fehlanzeige!

Dabei gibt es auch hier ein probates und bereits erprobtes Mittel, welches unter dem sperrigen Titel „Lehrer – Eltern –Schüler – Gespräch“ läuft. 
Und bevor hier kritische Gegenstimmen auftauchen: Ja, man kann dies auch schon in der Grundschule durchführen. 
Tatsächlich sitzen bei einem solchen Gespräch Lehrer, Eltern und Kind an einem Tisch. Für die Kinder oft eine sehr ungewohnte Situation, die ihnen gerne die Sprache verschlägt. Darum ist es zwingend erforderlich, dass ein solches Gespräch vorbereitet ist. Beachtet man dies und befolgt dann noch ein paar einfache Schritte bei der Durchführung, erlebt man direkt und unmittelbar, wie Kinder in und an einem solchen Gespräch wachsen können.
Wenn es gut läuft, verlassen Eltern und Kind beschwingt oder wenigstens gut gelaunt den Gesprächsraum, aber mindestens um eine Erfahrung reicher. Geht nur, wenn man die heiklen Themen außen vor lässt? Mitnichten! Gerade für „schwierige“ Schüler ist ein solches Gespräch oft eine sehr wohltuende und wichtige Erfahrung. 
Die Gestaltung der Gelingens Bedingungen liegen dabei beim Lehrer und dieser sollte sich dies auch hier unbedingt nicht aus der Hand nehmen lassen.

Die wichtigsten Elemente eines solchen Gesprächs im Überblick:

Die Vorbereitung
Sie ist das A und O und dabei mit wenig Aufwand zu bewerkstelligen. Steht ein Gespräch an, dann bekommen Eltern und das Kind von mir jeweils einen Fragebogen mit der Bitte, ihn zum Gespräch ausgefüllt mitzubringen. Auch hier ist weniger mehr: Mein Fragebogen hat genau nur drei Fragen:

  • Dies sind meine Stärken, diese Dinge fallen mir leicht und machen mir Spaß.
  • Hier brauche ich noch Unterstützung / Hilfe oder möchte ich mich verbessern.
  • Ich wünsche mir folgende Unterstützung von meinem Lehrer / meinen Eltern.

Das Gespräch
Das Gespräch selbst folgt ebenfalls der Struktur des Fragebogens. Oberste Gesprächsregel: Zunächst redet das Kind und darf dabei alles erzählen, was ihm oder ihr zu der ersten Frage einfällt. Ich unterstütze dies noch durch Bilder, die zeigen, was wir in der Schule alles machen, da den Kindern oft nicht alles in der Aufregung einfällt. 
Wenn das Kind diesen Teil beendet hat, ergänze ich die Aussagen des Kindes aus meiner Sicht. Am Schluss sind die Eltern dran und können ebenfalls etwas dazu sagen.
Die strikte Einhaltung dieser Struktur ist besonders bezogen auf den Anfang besonders wichtig, denn er erfüllt mehrere Funktionen: Wenn das Kind erst einmal ausführlich erzählen darf, welche positiven Dinge es in Schule für ihn oder sie gibt, bricht dies das Eis und auch schüchterne Kinder finden eher einen Einstieg in das Gespräch. Positive Dinge kommen leider oft zu kurz, weil das Gespräch über Probleme oft viel zeitlichen Raum einnimmt. Positive Dinge werden gerne mit „naja, das läuft ja!“ abgetan. Da ist man sich in der Regel einig und braucht nicht lange darüber diskutieren. Stärken sind die Ressource, aus der Kinder die Kraft schöpfen können, auch schwierige Dinge angehen zu können. Darum brauchen diese eine besondere Würdigung. Besonders wirkt dies natürlich, wenn diese Würdigung auch vor den Eltern stattfindet. Dem Kind wird deutlich, dass es die Hauptperson des Gesprächs ist. Schließlich soll mit dem Kind und nicht in Anwesenheit des Kindes über das Kind gesprochen werden. Dies ist ein höchst wichtiger Unterschied, der den Erfolg des Gesprächs ausmacht.

Jetzt kommt die 2. Runde. Die Kinder sind wieder dran und erzählen aus ihrer Sicht, welche Bereiche sie verbessern möchten. Erst wenn das Kind fertig ist, ergänze ich wieder und zum Schluss die Eltern. 
Ich habe bis jetzt bei jedem Gespräch, und dies meine ich wirklich ohne Ausnahme, feststellen dürfen, dass Kinder sich sehr realistisch einschätzen und selbst den „Finger in die Wunde“ legen. Dies kann man nutzen, um direkt das nächste Lob anzuschließen: „Ich finde es richtig toll, wie gut du dich selbst einschätzen kannst, denn dies habe ich auch sagen wollen.“ 
So wird das Reden über schwierigere Dinge auch nicht unangenehm, denn die „Kritik“ kommt nicht von oben und daher wertend, sondern orientiert sich am Kind und man kann dann sehr schnell in Richtung Lösung denken.

Der letzte Punkt, welche Unterstützung wird gewünscht, beginnt ebenfalls mit der Sicht des Kindes und es wird gemeinsam überlegt, welche Angebote die Schule und / oder die Eltern machen können, um dem gerecht zu werden. Das Kind bekommt das Gefühl, dass es um seine Bedürfnisse geht und damit sind vereinbarte Maßnahmen gleich viel wirkungsvoller.

Das Gespräch war erfolgreich wenn: Die Eltern am Ende aufstehen und sagen, sie können gar nichts mehr ergänzen, weil bereits alles gesagt wurde. Denn dann ist das Gespräch wirklich mit dem Kind geführt worden und die Eltern waren mehr oder weniger Zuschauer. Das Kind am Ende des Gesprächs sagen kann, dass es richtig eingeschätzt wurde und sich in den Schilderungen wiederfinden konnte. Ich frage die Kinder unmittelbar nach dem Gespräch nach ihrem Eindruck. So finde ich heraus, ob noch irgendein wichtiger Punkt nicht angeschnitten wurde.

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Als Lehrer gewinnen Sie aus diesem Gespräch:

  • Oftmals einen tieferen Einblick in ihre Schülerinnen und Schüler als nach mehreren Wochen Unterricht.
  • Ein „Vertrauensguthaben“ auf dem Beziehungskonto zu Ihren Schülern, da Sie gezeigt haben, dass Sie Transparenz und Offenheit schaffen und den Schüler oder die Schülerin als Person sehen, die es verdient wertgeschätzt zu werden. Dieses Guthaben macht sich in stressigen Situationen unglaublich bezahlt.
  • Sie können mit Stolz von sich behaupten, Ihren Schülerinnen und Schülern ein Stück Persönlichkeitsentwicklung gegeben zu haben.
  • Sie werden Anerkennung erhalten, von Schülern und Eltern.

Haben Sie Mut und probieren Sie es aus. Ich freue mich auch über Erfahrungsberichte als Kommentar unter diesem Beitrag.

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