Lehrergesundheit 1: Ich bin mal weg!

Das Schulhalbjahr neigt sich unaufhaltsam dem Ende zu. Plötzlich fällt auf, welche Arbeiten noch nicht geschrieben wurden, welche Themen noch abgehakt werden und welche Gespräche noch geführt werden müssen. Im Unterricht wird alles irgendwie immer etwas anstrengender. Jeder Bleistift, der runterfällt während ich etwas erkläre, treibt mich auf die Palme, trotzdem heißt es äußerlich cool zu bleiben. Innerlich wird der Geduldsfaden immer dünner.
Für Lehrer ist das Loslassen vom Alltag ganz schwierig. So manches nimmt man physisch mit nach Hause: Hefte und Arbeiten zum Kontrollieren, Berichte und Protokolle zum Schreiben, Förderpläne und dergleichen mehr. Hinzu kommt das mentale Gepäck: anstehende Elterngespräche, schwierige Unterrichtssituationen, Planungen… In der Regel ist einem das Schicksal der anvertrauten Kinder auch nicht völlig egal.

Da kommt das Wochenende wie eine Rettungsinsel im ganzen Stress. Jetzt mal auf die Couch, die Beine hochlegen, mit Freunden telefonieren – die natürlich auch Lehrer sind. Ruckzuck hält der Alltag auch am Wochenende Einzug. Auf der Couch wandern die Gedanken dann doch zur nächsten Woche: „Ich muss die Mathearbeit noch konzipieren.“ „Mit Schneiders muss ich endlich einen Termin für ein Elterngespräch vereinbaren.“ „Mittwoch ist auch noch Konferenz, das wird ein langer Tag.“
Nein, die Couch bringt es für mich nicht, obwohl ich doch so dringend mal entspannen sollte. Tue ich auch, aber so sieht das aus: Letzten Sonntag habe ich zum ersten Mal in diesem Jahr die Wanderschuhe umgeschnallt. Klingt noch nicht spektakulär, wandern eben. Das machen doch auch Rentner. Dieses Mal zum Einstieg 12 Kilometer auf einem „Waldromantikweg“. Natur und Bewegung, das ist doch klar, dass das gut tut. Dabei geht es für mich darum gar nicht in erster Linie. Der entscheidende Entspannungsmoment ist das stundenlange Laufen, bis irgendwann alles weh tut. Und dann am besten noch etwas weiter. Ich meine nicht „spazieren gehen“, sondern am besten über Stock und Stein, daher gerne auf Trails bei denen man immer auch etwas den Berg raufklettern muss, am besten richtig anspruchsvoll.
Sobald ich mich mit dem Durchhalten, dem Kampf gegen den Schweinehund beschäftigen muss, ist im Kopf gar kein Platz mehr für Schule, Elterngespräche und Konferenzen. Laufen bis es weh tut ist mein Entspannungsmoment, so paradox es klingt. Dass dies beim Wandern etwas länger dauert als bei anderen Sportarten gehört zwingend dazu. Eine Stunde volle Power im Fitnessstudio ist nett, aber nicht das gleiche. Erst ab ca. zwei Stunden Dauerlauf rückt die Schule so weit weg, dass ich wirklich im Hier und Jetzt bin. Der Fokus liegt allein darin, den Körper weiter voran zu treiben, der nicht mehr so recht mag.
Am Ziel angekommen, völlig fertig, ist immer ein kleines Hochgefühl. „Ich bin fertig, ich habe das geschafft!“ Ein Gefühl, dass der Schulalltag oft nicht mit sich bringt. Dort werden Dinge gefühlt nie fertig, man beginnt immer wieder von vorne.
Zum Schluss liege ich wirklich auf der Couch, kaum noch in der Lage mich zu rühren, aber auch dann bleibt die Schule weit weg. Der Körper ist so mit Regeneration und Hormonproduktion beschäftigt, da bleibt das Hirn angenehm auf Sparflamme.
Dann kommt der Montag und die Rückkehr in eine andere Welt. Das ist aber gar nicht so schlimm, denn ich habe ja am Wochenende etwas geschafft. Eine ganz neue Energie, auch wenn einige Muskeln noch zwicken und zwacken.

Mein Fazit: Lehrer stehen mental unter Daueranspannung. Hin und wieder sollten sie körperlich an ihre Grenzen gehen. Wandern eignet sich da meines Erachtens am besten. Man kann ohne große Vorbereitung direkt anfangen, es entschleunigt unheimlich und mit eher geringen Risiken verbunden, wenn man an sich gesund ist.