Wie Haltung das Lernen bestimmt.

Die Art, wie wir über uns selbst denken, bestimmt, ob wir gut oder schlecht lernen? Das klingt doch nach Esoterik!
Nun, ganz so einfach lässt sich dieser Gedanke nicht abtun und mir hat es für meine Rolle als Lehrerin doch einige Augenöffner beschert. Schon sind wir beim Growth Mindset. Aber was ist das eigentlich?

Growth Mindset, oder man könnte auf Deutsch auch dynamisches Selbstbild dazu sagen, kennzeichnet die innere Haltung, die jeder einzelne von uns gegenüber dem Lernen und der eigenen Entwicklung hat. Hier lassen sich vereinfacht dargestellt zwei Archetypen unterscheiden.

Nehmen wir einmal zwei Beispiele.
Da wäre zunächst Ben. Ben hat ein Fixed Mindset, ein statisches Selbstbild. Er glaubt, dass Talent und angeborene Voraussetzungen bestimmen, wie gut er etwas lernen wird. Wenn er einfach kein musikalisches Talent hat, dann wird er auch nie Klavier lernen. Wäre er ein Mädchen könnte er auch denken: „Mädchen sind einfach nicht so gut in Mathe oder Physik.“ Je nachdem, mit welchen Vorstellungen er oder sie von klein auf konfrontiert wurde. Dies bringt ihn dazu, in bestimmten Bereichen von vornherein sehr niedrige Erwartungen zu haben und er denkt, da lohnt es sich auch nicht, sich anzustrengen.
Ben hasst es Fehler zu machen. Wenn er merkt, dass ihm etwas nicht so gut gelingen könnte, dann lässt er es lieber sein, bevor er noch etwas falsch macht. Besonders unangenehm ist es ihm auch, wenn andere merken, was ihm schwer fällt und was er im Vergleich zu anderen nicht so gut kann. Diese Dinge versucht er eher zu verbergen.
Generell vergleicht sich Ben viel mit anderen und bestimmt darüber sein Selbstbild. Wenn er sieht, wie andere in etwas Erfolg haben, dann demotiviert ihn das und das mag er sich dann auch gar nicht so gerne ansehen.

Hannah hingegen denkt nicht, dass ihr von vornherein Schranken auferlegt sind. Ob man ein Talent für etwas hat oder nicht, ist ihr zunächst egal. Versuchen kann man es doch trotzdem, es zählt das, was man erreichen möchte.
Wenn sie auf ihrem Weg etwas falsch macht, dann sieht sie hier hauptsächlich eine Rückmeldung, wo sie weiter an sich arbeiten muss. Vor allem wertet sie Fehler als „Kritik“ an der Sache und nicht an ihrer Persönlichkeit. Sie fühlt sich dadurch nicht herabgesetzt und gerät nicht so schnell in Selbstzweifel. Ganz nach dem Motto: Falle ich hin, stehe ich auf und mache weiter.
Um weiter zu kommen nutzt Hannah gerne konstruktives Feedback. Sie sieht das nicht als Angriff auf ihre Persönlichkeit, sondern als eine Möglichkeit, sich Unterstützung für ihre Weiterentwicklung zu sichern. Sie sucht die Herausforderung, alles andere käme ihr wie Stillstand vor. Selbst wenn sie eine Herausforderung nicht bewältigen kann, ist Hannah davon überzeugt, dass sie auf dem Weg schon viel dazu gelernt hat.
Etwas nicht (gleich) zu schaffen ist für Hannah kein Grund, grundsätzlich an sich zu zweifeln. Sie kann das, was ihre Persönlichkeit im Kern ausmacht, von den zu bewältigenden Aufgaben trennen. Darum schaut sie sich auch gerne andere Menschen an, die in irgendetwas erfolgreich sind. Es inspiriert sie und macht ihr Mut, es auch zu versuchen.

Diese Beschreibungen sind natürlich recht stark komprimiert, jedes Mindset hat wiederum viele Facetten. Aber ob man angesichts einer sich stellenden Herausforderung dynamisch oder statisch über sich und das eigene Können denkt, hat einen messbaren Effekt auf den Ausgang. Die Psychologin Carol Dweck hat in den USA dazu umfangreiche Studien durchgeführt. Sie hat auch Überlegungen dazu angestellt, wie LehrerInnen ein dynamisches Selbstbild vermitteln können.
Das ist nun natürlich der besonders spannende Punkt. Ich möchte das ganze hier nun nicht mit einem Cliffhanger enden lassen, aber trotzdem hier sehr bald mehr dazu. Bis dahin eine kleine Denksportaufgabe: Angesichts von Tests / Herausforderungen / komplexen Aufgaben / Prüfungen: Bist Du eher Ben oder Hannah?

Resiliente Schüler

Warum ist mir dieses Thema so wichtig? Nun, für mich bedeutet die Frage nach der Resilienz die Antwort auch auf viele andere Probleme. Mir als Lehrer Gedanken über die Resilienz meiner Schüler zu machen, sieht auf den ersten Blick nach viel mehr Arbeit aus. Aber es lohnt sich: Am Ende profitiere ich auch als Lehrer davon.

Resiliente Schüler profitieren auf der sozialen Ebene. Resilient sein bedeutet, in Konflikten gelassener zu reagieren, Kritik annehmen zu können, weniger auf Provokationen zu reagieren und in der Lage zu sein, nach Lösungen in zwischenmenschlichen Fragen zu suchen. Fühlt man sich weniger bedroht und kann gelassener reagieren, ist man offener für andere Meinungen und Gefühle und lässt Situationen weniger eskalieren.

Wenig resiliente Schüler befinden sich kontinuierlich in einem Verteidigungsmodus. Alles könnte potentiell eine Bedrohung darstellen und so fehlt oft die Möglichkeit adäquat zu reagieren. Vor allem kann so auf die Bedürfnisse anderer nicht eingegangen werden. Dies gibt Konflikten reichhaltige Nahrung, auch wenn die Betroffenen dies eigentlich gar nicht möchten.
Können Schüler aber resilient auf schwierige Situationen reagieren, so sind sie auch eher in der Lage, Konflikte alleine zu klären und benötigen hierfür weniger Hilfe von außen.

Resilient zu sein bedeutet viel positive „Nahrung“ für das eigene Selbstwertgefühl. Zur Resilienz gehört, Dinge so anzunehmen wie sie sind, Stichwort Akzeptanz. Neben positiven Emotionen und Optimismus gehört auch eine positive Selbstwahrnehmung zu den Merkmalen der Resilienz. Schüler die dies gut können, erhalten immer wieder Bestätigung und somit wächst das Selbstwertgefühl. Aus diesem Gefühl heraus wächst ein Vertrauen in die eigenen Stärken. Man kann mit Niederlagen und Rückschlägen besser umgehen, weil diese nicht gleich am Selbstwert zweifeln lassen. Resiliente Schüler erscheinen ausgeglichener und sind eher bereit, sich für die persönliche Weiterentwicklung anzustrengen. Damit wächst die Bereitschaft Fehler zu machen und in diesen eine Lernchance zu sehen.

Daraus ergibt sich, dass resiliente Schüler ihr Potenzial besser entfalten können. Mit der Bereitschaft an sich und den Fehlern zu arbeiten, steigt die Chance bessere Leistungen zu erzielen. Hierdurch erreichte Erfolge zahlen positiv auf die eigene Selbstwahrnehmung ein. Im günstigen Fall entwickelt sich eine Spirale „nach oben“. Resiliente Schüler können Hilfe gezielt annehmen und zur Verbesserung der eigenen Leistungen nutzen. Es entsteht eine Freude an der eigenen Weiterentwicklung und eine positive Haltung zu Fehlern, sowie eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung. Diese Schüler resignieren nicht, sondern sehen nach vorne und sind eher bereit sich anzustrengen. Mit einer wachsenden Kontrollüberzeugung erhalten resiliente Schüler die Bestätigung, dass sie viele Dinge selbst in der Hand haben und steuern können. Dadurch wird dem Gefühl vorgebeugt, vielen Situationen in der Schule ausgeliefert zu sein, z.B. bei Tests und Arbeiten.

Langfristig wirkt sich eine resiliente Haltung günstig auf die geistige und körperliche Gesundheit aus. Mit Rückschlägen konstruktiv umgehen zu können und in Lösungen zu denken, stärkt die geistige Gesundheit. Je positiver man viele Situationen erlebt, weil man sich nicht mehr machtlos und ausgeliefert fühlt, umso weniger negativen Stress erlebt man. Erschreckenderweise steigt die Anzahl stressbedingter Erkranken bei Schülern massiv an. Depressionen, Burn-out und Essstörungen müssen immer häufiger auch bei Kindern und Jugendlichen behandelt werden. Eine resiliente Haltung kann hierbei vorbeugend wirken.

Stärke ich als Lehrkraft die Resilienz meiner Schüler, habe ich eine Chance, Störungen, sozialen Auffälligkeiten und Leistungsversagen vorzubeugen. Dies wirkt sich positiv auf das Klassenklima und die Lernatmosphäre aus und erleichtert damit auch mir als Lehrkraft das Leben. Im Idealfall eine Win-win-Situation.