In Schwierigkeiten Chancen sehen

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Wenn Sie mich fragen, was die wichtigsten Überlebensstrategien für Lehrer wären, dann würde ich Ihnen heute diese Antwort geben: Sehen Sie Schwierigkeiten als Chancen an.
Denn: Schwierigkeiten gibt es im Lehreralltag genug, das würde wohl kaum jemand bestreiten.

Nun gibt es im Lehreralltag verschiedene Kategorien von Schwierigkeiten:

Kategorie 1: Die „Mach-dir-keinen-Kopf-sondern-improvisier“-Schwierigkeiten

Der Kopierer streikt kurz vor der ersten Stunde mit Papierstau? Die vorbereitete Deutsch-Arbeit zu Hause auf dem Schreibtisch liegen lassen? Die Sprach-CD im Englischunterricht hängt?
Die Lösung: Mach dir keinen Kopf! Und wo es geht: Improvisieren.

Bei der Masse an Kopien, die wir Lehrer im Schuljahr umsetzen, ist die statistische Wahrscheinlichkeit sehr hoch, mindestens ein paar Mal im Monat einen Papierstau zu erleben. Jeder von uns hat auch schon mal die Vorbereitung und schlimmstenfalls die vorbereitete Klassenarbeit zu Hause vergessen. Technik hat so ihre Tücken, das ist kein Grund sich aufzuregen. So what.
Stehen Sie dazu und finden Sie eine Möglichkeit zu improvisieren.

Kategorie 2: Die „Nicht-auch-das-noch“-Schwierigkeiten

Eltern die kurz vor dem Unterricht noch in der Tür stehen und „nur mal kurz“ ein Gespräch wollen? Schulleitung kündigt ein Jahresgespräch oder einen kurzen Unterrichtsbesuch an?  Kollegen überreden Sie zur Mitarbeit in einer Vorbereitungsgruppe, obwohl Sie das Thema nur mäßig interessiert?

Jetzt wird es schon ein klein wenig kniffliger, denn über diese Sachen sollte man nicht mit einem Schulterzucken hinweggehen und Improvisation ist hier auch nicht immer angeraten.
In Situationen wie diesen stecken auf jeden Fall kleine Chancen.
Klar, Eltern unangemeldet in der Tür stehen zu haben ist oft kein Grund zur Freude, mindestens hält es uns auf. Viele empfinden ein solches Verhalten als Affront und verhalten sich von vorneherein ablehnend, was es meistens unter dem Strich nicht besser macht.
Zeigen Sie sich offen. Hören Sie sich das Problem kurz an, die Eltern fühlen sich wahrgenommen, was ihnen sehr wichtig ist. Vielleicht sind es Eltern, denen Sie sowieso noch eine Kleinigkeit mitteilen wollten? Schlagen Sie dann zwei Fliegen mit einer Klappe. Sobald sich keine einfache Lösung andeutet, vereinbaren Sie sofort einen Gesprächstermin. Die Eltern werden ohnehin nicht locker lassen und Sie ersparen sich so ein Telefonat.

Die Schulleitung möchte Ihren Unterricht sehen? Diese Ankündigung löst selten Freude aus, sondern tendenziell eher Stress. Tausende Fragen schießen einem durch den Kopf: Hat sich jemand beschwert? Was wenn sie/er sieht, dass meine Organisation gerade nicht so läuft? Was wenn sich die Kinder gerade dann daneben benehmen?
Wir Lehrer sind ständig in der Situation auf die eine oder andere Art zu bewerten. Wir reagieren aber zuweilen bemerkenswert unresilient, wenn wir eine auf uns gemünzte Bewertung kommen sehen. Fühlen wir uns doch gerne wie kleine Alleinherrscher in unserem kleinen Reich hinter der Klassentür. Sind wir aber nicht.
Wo könnten hier die Chancen liegen? Wir alle erliegen mit der Zeit den Tücken der Alltagsroutine. Wir alle haben das Unterrichten erlernt, werden aber im Laufe der Zeit gerne betriebsblind. Manche Methoden sind gar nicht so wirksam, wie anfangs vermutet. Manchmal halten wir an alten Dingen fest, weil wir scheuen etwas Neues auszuprobieren. Manchmal schätzen wir auch Schüler falsch ein.
Keiner, egal wie lange im Dienst, ist vor solchen Dingen gefeit. Und es wäre auch ein ganz fatal falscher Anspruch, den perfekten Unterricht machen zu wollen. Den gibt es gar nicht.
Beobachtung und Rückmeldung von außen kann sehr heilsam sein, also öffnen Sie sich der Situation. Noch besser: Werden Sie proaktiv. Setzen Sie sich einmal ganz selbstkritisch mit ihrem Unterricht auseinander. Wo sind Sie sich unsicher? Teilen Sie dann der Schulleitung vorab mit, zu welchen Punkten Sie sich Rückmeldung wünschen. Das macht Eindruck und lenkt die Aufmerksamkeit in eine bestimmte Richtung. Das anschließende Gespräch ist dann nicht mehr komplett unvorhersehbar. In einigen Dingen wissen Sie ja schon, um was es geht. Seien Sie in Ihrer Einstellung konstruktiv, Sie werden merken, das tut gut.

Kollegen haben Sie zu einer Mitarbeit in einer Gruppe überredet, aber das Thema interessiert Sie nur mäßig?
Vielleicht hat man Sie eingeladen, weil man Ihre Meinung zu dem Thema sehr schätzt. Dann liegt eine Form von Anerkennung in dieser Einladung, die sollten Sie erwidern.
Ganz unabhängig davon: Gibt es Aspekte, die Sie in das Thema einbringen können, die Ihnen wichtig sind? Könnte das Thema nicht doch eine Bedeutung für Sie haben, wenn Sie es nur aus dem richtigen Blickwinkel betrachten? Nutzen Sie die Chance, sich mit den für Sie relevanten Dingen einzubringen. Nur wenn wir die Gestaltungsräume nutzen, die sich uns bieten, können wir in Schule auch etwas verändern.

Kategorie 3: Die „Ich-kann-nicht-mehr“-Schwierigkeiten

Ein Schüler Ihrer Klasse macht Ihnen mit seinem Verhalten das Leben schwer? Kollegen schneiden Sie und reden hinter Ihrem Rücken über Sie? Eltern beschweren sich bei der Schulleitung über Sie und schalten die übergeordneten Instanzen ein?

Ein Schüler Ihrer Klasse macht Ihnen mit seinem Verhalten das Leben schwer? Kollegen schneiden Sie und reden hinter Ihrem Rücken über Sie? Eltern beschweren sich bei der Schulleitung über Sie und schalten die übergeordneten Instanzen ein?

Der schwierige Schüler kann die ganze Stimmung in der Klasse zum Kippen bringen. Sicher haben Sie viel ausprobiert, aber nichts scheint zu helfen. Sie pflegen regelmäßigen Briefkontakt zu den Eltern und das Fehlverhalten des Schülers füllt eine dicke Akte.
Zwischenmenschliche Schwierigkeiten engen unsere Sichtweise sehr oft ein. Wir können die Chancen in diesen Situationen oft nicht selbst erkennen. Daher: holen Sie sich Hilfe. Dies muss keine Fachkraft sein, dies dauert oft zu lange. Bitten Sie einen Kollegen oder eine Kollegin, Sie und den Schüler im Unterricht zu beobachten. Tauschen Sie sich anschließend aus. Oft hat sich schon ein Muster zwischen Ihnen und dem Schüler eingeschlichen, welches Sie selbst gar nicht mehr wahrnehmen können.
Zweitens: Versuchen Sie einen Perspektivwechsel. Oft kennen Sie die Hintergründe des Schülers. Wenn Sie also dieser Schüler wären, warum verhalten Sie sich so? Wenn Sie hier jemanden finden, mit dem Sie gemeinsam überlegen können, noch besser. Wenn Sie einmal nicht nur von Ihrer eigenen Problemschiene aus denken, kommen Ihnen oft ganz überraschende Einsichten. Verständnis für die Situation ist der erste Schritt zu einer Lösung. Im besten Fall geht es dann Ihnen und Ihrem Schüler besser.

Probleme mit den Kollegen? Warten Sie nicht lange und sprechen Sie an, was Sie bewegt. Sie ergreifen so die Chance, ein eventuell falsches Bild von Ihnen gerade zu rücken. Oder Sie erfahren, dass auch Ihre Kollegen Schwierigkeiten haben und es entsteht die Möglichkeit, sich gegenseitig zu unterstützen. Hier gilt, je eher desto besser.

Die Eltern proben den großen Aufstand? Eine sehr unangenehme Sache und man fühlt sich schnell sehr auf den Schlips getreten. Verständlich aber so schwer es auch fällt, versuchen Sie die andere Seite zu sehen und öffnen Sie sich den Argumenten. Vielleicht kommt bei Ihren Eltern wirklich etwas falsch an und Sie können etwas dazu beitragen, für eine entspannte Situation zu sorgen. Je offener Sie sich den Argumenten stellen, desto wird man Ihnen Respekt entgegen bringen. Hier liegt die Chance, selbst die Grundlage für eine entspannte Elternarbeit zu legen. Das wird Ihnen auf lange Sicht gesehen, den Alltag sehr viel leichter machen.

Sie sehen, es erfordert im ersten Schritt durchaus Mut, hinter den Schwierigkeiten die Chance zu sehen und dadurch offensiv damit umzugehen. Aber: Sie können nur gewinnen. Je mehr Einsichten Sie gewinnen, umso mehr werden Sie lernen können, umso mehr werden Sie noch lange mit Spaß und Elan unterrichten können.
Niemand möchte mit einer uneinsichtigen und sturen Person zusammenarbeiten oder ihr / sein Kind von so jemand unterrichten lassen. Also haben Sie Mut, es lohnt sich!

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