Bestehen Sie den Lehrer-Eignungstest?

Stärken_Lehrer
Würden Sie den Lehrer-Eignungstest bestehen? Nein? Noch nie davon gehört?
Okay, sind wir ehrlich, den gibt es nicht. Leider. Denn bisher entscheiden vor allem Durchschnittsnoten die Eignung zum Lehrerberuf. 
In unserer Schullaufbahn wurden wir daher vor allem im Bereich unserer logisch-mathematischen und sprachlichen Intelligenz getestet. Ein kleines bisschen noch in unser körperlich-kinästhetischen und musisch-rhythmischen Intelligenz. Schon ganz nett, aber damit kann ich viele erdenklich andere Berufe ergreifen.
Aber wissen Sie anhand Ihrer Schulabschlüsse, wie es bei Ihnen im Bereich der interpersonellen und intrapersonellen Intelligenz bestellt ist? Ach, Sie auch nicht. Dabei finden sich hier die wirklich wichtigen Kompetenzen für den Lehrerberuf.

Wenn man den Gedanken der Stärkenorientierung konsequent weiter denkt, dann heißt dies auch zwangsläufig, dass dieser nicht bei den Schülern endet.
In meinem Videoblogbeitrag über Stärken habe ich festgestellt, dass Menschen immer wieder dazu neigen, sich selbst passend für einen Job zu „machen“. Sie schreiben sich Eigenschaften zu, die sie eigentlich gar nicht haben, wenn sie mal ganz ehrlich wären. Aus den unterschiedlichsten Gründen möchten sie aber diesen Job, darum biegen sie sich die Realität zurecht.
Richtig wäre doch aber, sich seinen Stärken bewusst zu sein und sich daraufhin den genau passenden Job zu suchen. Das sorgt langfristig gesehen für wesentlich mehr Zufriedenheit.

Wir halten also fest, Kinder bzw. junge Erwachsene sollten nach ihrer Schulzeit ihr Stärkenprofil genau kennen, was viel zu oft nicht der Fall ist. So gesehen müssten sich auch die Menschen mit den richtigen Stärken für den Lehrerberuf entscheiden.

Mit einer gewissen Mischung aus Belustigung und Sorge betrachte ich junge Studierende, die an unserer Schule ihr Praktikum absolvieren. Ich habe meine Hochachtung vor denen, die sich bewusst oder unbewusst genau das richtige Betätigungsfeld gesucht haben. Man spürt es einfach, ob das passt. Diese Menschen gehen auch im stressigsten Alltag förmlich auf.
Gar nicht so selten beschleicht mich das unangenehme Gefühl, der oder die eine oder andere sucht sich aufgrund falscher Versprechungen von sehr viel Freizeit und Ferien und lebenslanger Absicherung diesen Beruf aus.
Erfreulicherweise gibt es in der Lehrerbildung eine vorsichtige Tendenz hin zu mehr Praxis. Denn gerade dort spürt man am intensivsten, ob das passt. So manches Mal möchte ich den Kandidaten auch aus Sicht von Schulleitung gerne sagen: Dies ist nicht der Job, der genau zu ihren Stärken passt. Für meinen Geschmack ist es aber viel zu sehr von den Ausbildern an den Universitäten abhängig, ob sich die angehenden Lehrer in Hinblick auf diese Frage überhaupt reflektieren.

Dadurch stellt man dann verwundert fest, dass es auch unter den jungen Kollegen immer wieder welche gibt, die sich hinter ihrer Klassentür verschanzen und Alleinherrscher in ihrem Universum spielen wollen. Völlig ungeachtet, ob sie wirklich genau das tun, was ihren Schülern gut tut.

Es mangelt in der Lehrerausbildung nach meiner Erfahrung nach nicht an methodischem und didaktischem Wissen. Angehende Lehrer werden aber nicht auf ihre innere Haltung und ihrer persönlichen Eignung bspw. in Bezug auf ihre Stärken und Schwächen für diesen Beruf hin überprüft. Ich habe als Mentorin die unangenehme Erfahrung machen müssen, dass Menschen in das Referendariat gehen, die in Bezug auf ihre Haltung und sozialen Kompetenzen im Bereich der interpersonellen und intrapersonellen Intelligenz nicht für diesen Beruf geeignet sind. Dann zählt auch nicht mehr der Spruch:  Hire for attitude, train for skills, wenn es bereits an der attitude mangelt.

Selbstverständlich sind Lehrer individuelle Persönlichkeiten und ich finde es für Kinder eine wertvolle Erfahrung, mit sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten zurechtkommen zu müssen. Denn das schult wiederum deren soziale Kompetenzen. Aber ein Grundkanon an Eigenschaften oder Stärken gehört einfach zu diesem Beruf. Welche sind dies?

1. Einfühlungsvermögen
Dazu gehört insbesondere das „Lesen“ von Gefühlen und Gemütszuständen anderer Menschen, durch verbale und nonverbale Zeichen. Lernen ist eng an den emotionalen Zustand gekoppelt, indem man sich befindet. Die Hirnforschung hat den intensiven Zusammenhang belegt. Um dies für den Unterricht nutzen zu können, muss ich instinktiv wissen können, in welchem emotionalen Zustand sich meine Schülerinnen und Schüler befinden. Ich muss es nicht nur wissen, ich muss auch darauf reagieren können, was ein wesentlich höherer Level der gleichen Kompetenz ist. Ich muss also mein eigenes Verhalten darauf abstimmen können, was andere empfinden.

Wenn Sie über diese Stärke verfügen, dann wundern sie sich vermutlich nicht, wenn Schüler auf eine völlig harmlose Äußerung fluchtartig und mit den Türen knallend den Raum verlassen, weil Sie die angespannte Stimmung schon zuvor bemerkt haben. Eine Eigenschaft die immer wichtiger wird, je näher die Schülerschaft der berüchtigten Pubertät kommt.
Aber es geht nicht nur darum negative Emotionen wahrzunehmen, die Ihre Schüler vielleicht gerade am Lernen hindern. Wenn Sie zusätzlich noch eine Stärke zur Improvisation haben, dann merken Sie, wenn Ihre Schüler von einem Thema, einer Aufgabe o.ä. so richtig angefixt sind. Vielleicht ändern Sie dann spontan Ihre Pläne für diese Stunde und nutzen eine wunderbare Lernchance.

2. Empathie
In diesem Zusammenhang ist besonders die Fähigkeit gemeint, neben Emotionen auch Sichtweisen und Beweggründe anderer Menschen zu erkennen und zu verstehen, auch wenn sie nicht den eigenen Überzeugungen entsprechen. So manches Mal scheint es auf den ersten Blick nicht sehr logisch, wie Schüler  gerne mal reagieren. Dann ist es nicht sehr zielführend, einfach nur den Kopf zu schütteln und das Verhalten des Schülers als „Spinnerei“ abzutun. Irgendwas steckt oft dahinter, auch wenn es nicht auf den ersten Blick offensichtlich ist. Dafür ein Gespür zu entwickeln schafft Vertrauen, welches eine unbedingt wichtige Emotion für gelingendes Lernen ist.
Wenn es um Eltern geht ist diese Stärke ebenfalls sehr zielführend. Die Beweggründe für das Handeln von Eltern wiedersprechen sehr gerne mal den eigenen. Die eigene Sichtweise als die einzige wahre zu deklarieren und in Bezug auf die Eltern nur zu denken: „Die spinnen ja!“ ist weder zielführend noch wird es das Leben der Kinder erleichtern. Man muss vieles nicht gut finden, trotzdem haben Eltern das Recht eigene Entscheidungen für ihre Kinder zu treffen. Wenn man als Lehrer dann auch nachvollziehen kann, warum sie diese Entscheidungen fällen ist ein erster Schritt um verhärtende Fronten zu verhindern. Und es ist den Kindern am wenigsten geholfen, wenn Lehrer und Eltern gegeneinander arbeiten.

3. Teil eines Ganzen sein
Auch wenn das Lehrerdasein bedeutet, jeden Tag vor einer Vielzahl Menschen zu bestehen, sollte man nicht zu denen gehören, die zwanghaft zu jedem Zeitpunkt im Mittelpunkt stehen wollen.
Als Lehrer beziehen Sie Energie daraus, mit anderen zusammenwirken zu können und der Erfolg anderer beflügelt Sie. Sie können sich somit in einer Gemeinschaft einfügen und beziehen ihre Energie aus diesem Zusammenwirken.
Schüler spüren, wenn jemand ganz authentisch an einem guten Zusammenwirken interessiert ist. Lehrer sind so etwas wie das Epizentrum der Gruppendynamik. Wichtig ist vor allem das Gespür, wann es an der Zeit ist, sich zurückzuziehen und den Schülern die Bühne zu überlassen.
Hinderlich sind in diesem Zusammenhang sicherlich Allmachtsphantasien und Ängste die Kontrolle zu verlieren. Wobei auch nicht gemeint ist, die Zügel komplett aus der Hand zu geben. Aber je mehr man ein Teil des Ganzen sein kann, umso mehr kann man Anerkennung verteilen, was Kinder emotional wachsen lässt. Wenn man sich selbst nicht immer als zu wichtig nimmt, können auch Kinder sich stark fühlen. Diese Stärke wohlbalanciert leben zu können, führt einen über kurz oder lang zum „Flow“ beim Unterrichten.

4. Dynamisches Selbstbild
Sie stehen dafür, dass jeder seine Fähigkeiten weiter entwickeln kann? Sie glauben auch an Ihre eigene Weiterentwicklung?
Man kann sich jetzt streiten, ob dies wirklich eine Stärke ist, oder aber eine innere Haltung. Auf jeden Fall liefert das Dynamische Selbstbild einen wertvollen Beitrag zum Lernerfolg aller Beteiligten. Zu diesem Punkt gehört nämlich auch die Fähigkeit, aus Fehlern lernen zu wollen und als Lehrer sollte man in jedem Fall fehlertolerant sein, bieten sich doch hier sehr wert volle Lernchancen. Vor allem: Wenn Sie gut aus ihren Fehlern lernen können und daraus wirklich das Beste machen, sind Sie ein wertvolles Vorbild für Ihre Schüler.
Die Weiterentwicklung Ihrer Schüler ist etwas, aus dem Sie ebenfalls Energie ziehen können und darüber messen Sie die Wirksamkeit Ihres Tuns. Dies funktioniert natürlich nur, wenn Sie einen Blick für diese Dinge haben.

5. Selbstreflexion
Und zwar eine gehörige Portion davon. Mal ehrlich, wer möchte von jemandem lernen, der sich für unfehlbar hält?
Diese Stärke sollten Sie auch in Ihren Schülern fördern, soweit dies möglich ist. Denn diese ist darüber hinaus ein wichtiger Weg zur Resilienz, die einen die schwierigen und stressigen Tage gut überstehen lässt. Wenn Sie sich selbst hinterfragen können, dann steuern Sie auch in einer wesentlichen Art und Weise Ihren Einfluss auf Ihre Schüler. Sie wissen dann auch, dass niemand von Beginn an perfekt ist und dies auch ein völlig überzeugender Anspruch ist. Als reflektierter Lehrer läuft man auch nicht so schnell Gefahr, sich selbst als zu wichtig nehmen und sich durch Situationen persönlich angegriffen zu fühlen. Auch wenn Schüler sich respektlos äußern und Eltern manchmal unverschämt sind, sie dürfen dies nicht als Wertung Ihrer Person betrachten. Als reflektierter Lehrer können Sie einen Schritt zurück treten und die Situation als das betrachten was sie ist, anstatt Dinge hinein zu interpretieren, die gar nicht da sind. Glauben Sie mir, Sie erleichtern sich wesentlich das Leben.
Das strahlen Sie aber auch nach außen aus und dieser Umstand macht Sie zu einem Menschen, zu dem man aufschauen kann und von dem man gerne lernen möchte. Sie merken, es gibt Wege, wie allen Seiten geholfen ist.

Sind wir realistisch, niemand ist 100% von alldem. Aber gerade wenn man über die letzte Stärke verfügt, welche zum Bereich der intrapersonellen Intelligenz gehört, werden Sie bestrebt sein, immer wieder auch an sich zu arbeiten.
Außerdem haben Sie noch andere Stärken, die sich dazu auch in einem besonderen Maß ergänzen. Sicherlich wäre es aber fatal, wenn Sie keine dieser Stärken hätten.
In diesem Sinne: Haben Sie Mut, in sich hinein zu schauen!

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