In Schwierigkeiten Chancen sehen

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Wenn Sie mich fragen, was die wichtigsten Überlebensstrategien für Lehrer wären, dann würde ich Ihnen heute diese Antwort geben: Sehen Sie Schwierigkeiten als Chancen an.
Denn: Schwierigkeiten gibt es im Lehreralltag genug, das würde wohl kaum jemand bestreiten.

Nun gibt es im Lehreralltag verschiedene Kategorien von Schwierigkeiten:

Kategorie 1: Die „Mach-dir-keinen-Kopf-sondern-improvisier“-Schwierigkeiten

Der Kopierer streikt kurz vor der ersten Stunde mit Papierstau? Die vorbereitete Deutsch-Arbeit zu Hause auf dem Schreibtisch liegen lassen? Die Sprach-CD im Englischunterricht hängt?
Die Lösung: Mach dir keinen Kopf! Und wo es geht: Improvisieren.

Bei der Masse an Kopien, die wir Lehrer im Schuljahr umsetzen, ist die statistische Wahrscheinlichkeit sehr hoch, mindestens ein paar Mal im Monat einen Papierstau zu erleben. Jeder von uns hat auch schon mal die Vorbereitung und schlimmstenfalls die vorbereitete Klassenarbeit zu Hause vergessen. Technik hat so ihre Tücken, das ist kein Grund sich aufzuregen. So what.
Stehen Sie dazu und finden Sie eine Möglichkeit zu improvisieren.

Kategorie 2: Die „Nicht-auch-das-noch“-Schwierigkeiten

Eltern die kurz vor dem Unterricht noch in der Tür stehen und „nur mal kurz“ ein Gespräch wollen? Schulleitung kündigt ein Jahresgespräch oder einen kurzen Unterrichtsbesuch an?  Kollegen überreden Sie zur Mitarbeit in einer Vorbereitungsgruppe, obwohl Sie das Thema nur mäßig interessiert?

Jetzt wird es schon ein klein wenig kniffliger, denn über diese Sachen sollte man nicht mit einem Schulterzucken hinweggehen und Improvisation ist hier auch nicht immer angeraten.
In Situationen wie diesen stecken auf jeden Fall kleine Chancen.
Klar, Eltern unangemeldet in der Tür stehen zu haben ist oft kein Grund zur Freude, mindestens hält es uns auf. Viele empfinden ein solches Verhalten als Affront und verhalten sich von vorneherein ablehnend, was es meistens unter dem Strich nicht besser macht.
Zeigen Sie sich offen. Hören Sie sich das Problem kurz an, die Eltern fühlen sich wahrgenommen, was ihnen sehr wichtig ist. Vielleicht sind es Eltern, denen Sie sowieso noch eine Kleinigkeit mitteilen wollten? Schlagen Sie dann zwei Fliegen mit einer Klappe. Sobald sich keine einfache Lösung andeutet, vereinbaren Sie sofort einen Gesprächstermin. Die Eltern werden ohnehin nicht locker lassen und Sie ersparen sich so ein Telefonat.

Die Schulleitung möchte Ihren Unterricht sehen? Diese Ankündigung löst selten Freude aus, sondern tendenziell eher Stress. Tausende Fragen schießen einem durch den Kopf: Hat sich jemand beschwert? Was wenn sie/er sieht, dass meine Organisation gerade nicht so läuft? Was wenn sich die Kinder gerade dann daneben benehmen?
Wir Lehrer sind ständig in der Situation auf die eine oder andere Art zu bewerten. Wir reagieren aber zuweilen bemerkenswert unresilient, wenn wir eine auf uns gemünzte Bewertung kommen sehen. Fühlen wir uns doch gerne wie kleine Alleinherrscher in unserem kleinen Reich hinter der Klassentür. Sind wir aber nicht.
Wo könnten hier die Chancen liegen? Wir alle erliegen mit der Zeit den Tücken der Alltagsroutine. Wir alle haben das Unterrichten erlernt, werden aber im Laufe der Zeit gerne betriebsblind. Manche Methoden sind gar nicht so wirksam, wie anfangs vermutet. Manchmal halten wir an alten Dingen fest, weil wir scheuen etwas Neues auszuprobieren. Manchmal schätzen wir auch Schüler falsch ein.
Keiner, egal wie lange im Dienst, ist vor solchen Dingen gefeit. Und es wäre auch ein ganz fatal falscher Anspruch, den perfekten Unterricht machen zu wollen. Den gibt es gar nicht.
Beobachtung und Rückmeldung von außen kann sehr heilsam sein, also öffnen Sie sich der Situation. Noch besser: Werden Sie proaktiv. Setzen Sie sich einmal ganz selbstkritisch mit ihrem Unterricht auseinander. Wo sind Sie sich unsicher? Teilen Sie dann der Schulleitung vorab mit, zu welchen Punkten Sie sich Rückmeldung wünschen. Das macht Eindruck und lenkt die Aufmerksamkeit in eine bestimmte Richtung. Das anschließende Gespräch ist dann nicht mehr komplett unvorhersehbar. In einigen Dingen wissen Sie ja schon, um was es geht. Seien Sie in Ihrer Einstellung konstruktiv, Sie werden merken, das tut gut.

Kollegen haben Sie zu einer Mitarbeit in einer Gruppe überredet, aber das Thema interessiert Sie nur mäßig?
Vielleicht hat man Sie eingeladen, weil man Ihre Meinung zu dem Thema sehr schätzt. Dann liegt eine Form von Anerkennung in dieser Einladung, die sollten Sie erwidern.
Ganz unabhängig davon: Gibt es Aspekte, die Sie in das Thema einbringen können, die Ihnen wichtig sind? Könnte das Thema nicht doch eine Bedeutung für Sie haben, wenn Sie es nur aus dem richtigen Blickwinkel betrachten? Nutzen Sie die Chance, sich mit den für Sie relevanten Dingen einzubringen. Nur wenn wir die Gestaltungsräume nutzen, die sich uns bieten, können wir in Schule auch etwas verändern.

Kategorie 3: Die „Ich-kann-nicht-mehr“-Schwierigkeiten

Ein Schüler Ihrer Klasse macht Ihnen mit seinem Verhalten das Leben schwer? Kollegen schneiden Sie und reden hinter Ihrem Rücken über Sie? Eltern beschweren sich bei der Schulleitung über Sie und schalten die übergeordneten Instanzen ein?

Ein Schüler Ihrer Klasse macht Ihnen mit seinem Verhalten das Leben schwer? Kollegen schneiden Sie und reden hinter Ihrem Rücken über Sie? Eltern beschweren sich bei der Schulleitung über Sie und schalten die übergeordneten Instanzen ein?

Der schwierige Schüler kann die ganze Stimmung in der Klasse zum Kippen bringen. Sicher haben Sie viel ausprobiert, aber nichts scheint zu helfen. Sie pflegen regelmäßigen Briefkontakt zu den Eltern und das Fehlverhalten des Schülers füllt eine dicke Akte.
Zwischenmenschliche Schwierigkeiten engen unsere Sichtweise sehr oft ein. Wir können die Chancen in diesen Situationen oft nicht selbst erkennen. Daher: holen Sie sich Hilfe. Dies muss keine Fachkraft sein, dies dauert oft zu lange. Bitten Sie einen Kollegen oder eine Kollegin, Sie und den Schüler im Unterricht zu beobachten. Tauschen Sie sich anschließend aus. Oft hat sich schon ein Muster zwischen Ihnen und dem Schüler eingeschlichen, welches Sie selbst gar nicht mehr wahrnehmen können.
Zweitens: Versuchen Sie einen Perspektivwechsel. Oft kennen Sie die Hintergründe des Schülers. Wenn Sie also dieser Schüler wären, warum verhalten Sie sich so? Wenn Sie hier jemanden finden, mit dem Sie gemeinsam überlegen können, noch besser. Wenn Sie einmal nicht nur von Ihrer eigenen Problemschiene aus denken, kommen Ihnen oft ganz überraschende Einsichten. Verständnis für die Situation ist der erste Schritt zu einer Lösung. Im besten Fall geht es dann Ihnen und Ihrem Schüler besser.

Probleme mit den Kollegen? Warten Sie nicht lange und sprechen Sie an, was Sie bewegt. Sie ergreifen so die Chance, ein eventuell falsches Bild von Ihnen gerade zu rücken. Oder Sie erfahren, dass auch Ihre Kollegen Schwierigkeiten haben und es entsteht die Möglichkeit, sich gegenseitig zu unterstützen. Hier gilt, je eher desto besser.

Die Eltern proben den großen Aufstand? Eine sehr unangenehme Sache und man fühlt sich schnell sehr auf den Schlips getreten. Verständlich aber so schwer es auch fällt, versuchen Sie die andere Seite zu sehen und öffnen Sie sich den Argumenten. Vielleicht kommt bei Ihren Eltern wirklich etwas falsch an und Sie können etwas dazu beitragen, für eine entspannte Situation zu sorgen. Je offener Sie sich den Argumenten stellen, desto wird man Ihnen Respekt entgegen bringen. Hier liegt die Chance, selbst die Grundlage für eine entspannte Elternarbeit zu legen. Das wird Ihnen auf lange Sicht gesehen, den Alltag sehr viel leichter machen.

Sie sehen, es erfordert im ersten Schritt durchaus Mut, hinter den Schwierigkeiten die Chance zu sehen und dadurch offensiv damit umzugehen. Aber: Sie können nur gewinnen. Je mehr Einsichten Sie gewinnen, umso mehr werden Sie lernen können, umso mehr werden Sie noch lange mit Spaß und Elan unterrichten können.
Niemand möchte mit einer uneinsichtigen und sturen Person zusammenarbeiten oder ihr / sein Kind von so jemand unterrichten lassen. Also haben Sie Mut, es lohnt sich!

Lehrer & Eltern: Verhärtete Fronten oder? Eine Mutmachgeschichte

Ziege

Manchmal scheint es schwer zu glauben, dass kleine Dinge schon den Unterschied machen. Wenn ich zum Beispiel sage, dass es einen großen Unterschied macht, mit welcher Haltung man seinen Beruf ausübt, so mag das auf den ersten Blick komisch klingen. Der ein oder andere Leser ist da vielleicht zu Recht skeptisch.

Aber es ist so. Gerade Elternarbeit hängt ganz stark von der inneren Haltung des Lehrers ab. Ich habe dies auch nicht so glauben wollen und war eine Weile der Meinung, dass manche Eltern sich in der Schule einfach komisch aufführen. Meine erste Reaktion war dann oft: „Was läuft denn bei denen falsch?“ 
Oder auch: „Wie anmaßend, dass sie mir sagen wollen, wie ich meinen Unterricht machen soll. Ich habe schließlich nicht Lehramt studiert, um mir dann von Eltern sagen zu lassen, wie ich meinen Beruf ausübe. Ich sage doch dem Chirurgen nicht, wie er operieren soll.“
Na, wer denkt so manches Mal vielleicht auch so, wenn Eltern den Forderungskatalog aufmachen und jede Unterrichtsentscheidung hinterfragen oder daran etwas auszusetzen haben?

Meine Geschichte wie ich begann umzudenken, kam einige Zeit, nachdem ich an meiner jetzigen Schule als Lehrerin und Konrektorin angefangen hatte.
Ich war Klassenlehrerin einer Klasse im Flexiblen Schulanfang, das heißt ich unterrichtete Kinder im ersten und zweiten Schuljahr gemeinsam. Es war der Normalfall, dass die Kinder mit dem Übergang in die 3. Klasse eine neue Lehrerin bekamen. Ich entschloss mich damals, mit den Kindern zusammen den Übergang zu gestalten und mit ihnen in die 3. Klasse zu wechseln. Für meinen Geschmack war das eine ganz charmante Idee und als ich den Kindern dieses verkündete, war die Stimmung sehr gut. Alle schienen sich zu freuen.

Der Dämpfer kam nach dem Wochenende, als plötzlich eine Mutter, nennen wir sie Frau Heinz, einen Gesprächstermin mit der Schulleitung einforderte. Gleich die große Runde, mit Elternbeirat noch einigen anderen Eltern, nur ich sollte fernbleiben. Tenor der Gesprächs: Entweder wechselt mein Kind die Klasse oder jemand anderes wird Klassenlehrer!
Ich fiel aus allen Wolken. Wie konnte sie nur? Sicher, ich hatte immer ellenlange Briefe, weil sie immer alles ganz genau wissen wollte und jede meiner Entscheidungen in Frage stellte. Mal waren es zu viel oder zu wenig Hausaufgaben, die Kinder lernen zu wenig und überhaupt war bei ihrem großen Kind alles ganz anders.
(Man muss dazu sagen, dass das größere Geschwisterkind eher klassischen Frontalunterricht und wenig offene Unterrichtssituationen erlebt hatte.)

Die Schulleitung bestand auf meiner Anwesenheit beim Gespräch und ich hätte auch gut darauf verzichten können. Das Gespräch verlief auch wie erwartet unangenehm und war im Wesentlichen eine Flut von Anschuldigungen. Schulleitung und Elternbeirat bemühten sich um Konsens und Fazit war, das Kind bleibt genau wie ich in der Klasse, aber ich versuche einige Wünsche der Mutter, vor allem nach Information, zu berücksichtigen.

So ging ich in die Sommerferien. Dabei waren sehr gemischte Gefühle. Von: „Na, das kann ja heiter werden!“ bis: „Ich überlebe das Schuljahr nicht!“. Die Gemütslage schwankte täglich. Kurz vor den Sommerferien plauderte ich mit dem Kind von Frau Heinz bei einem Ausflug. Das Kind wusste natürlich von dem Aufstand den die Mutter machte. Das Kind war darüber eher peinlich berührt. Aber wir kamen ins Gespräch und dabei fiel ein Satz, der mich aufhorchen ließ: „Weißt du, meine Mama hat wegen allem Angst, weil sie es ganz schwer an der Schule hatte.“
Während der Ferien, als ich mal wieder mein Leid über diese unmöglichen Eltern klagte, wurde mir plötzlich die Frage gestellt: „Was denkst du, warum macht sie das?“
Mein erster Reflex war, diese Frage von mir zu weisen mit: „Naja, sie hat halt irgendein Problem, was weiß ich.“ Aber dann fiel mir das Gespräch von dem Ausflug wieder ein und es gleichzeitig die Schuppen von den Augen. Ich versuchte das Gedankenexperiment und schlüpfte einmal in ihre Rolle.

Frau Heinz liebt ihre Kinder und hat sich bisher immer aufopfernd um sie gekümmert. Sie hat klare Vorstellungen, wie ihre Kinder aufwachsen sollen und plötzlich redet da eine ganz andere Person mit. Diese Person (also ich) macht auch noch alles anders, als Frau Heinz das kennt und da Frau Heinz gerne die Kontrolle über das hat, was mit ihren Kindern geschieht, reagiert sie total verunsichert, weil sie plötzlich gar nichts mehr unter Kontrolle hat. Und was machen manchmal Menschen, die befüchten die Kontrolle zu verlieren? – Sie gehen zum Angriff über. Dazu kommen noch eigene negative Erfahrungen mit Lehrern, wodurch grundsätzlich erst einmal Misstrauen herrscht.

Daraufhin beschloss ich einfach mal etwas zu probieren. Ich änderte meine Elterninformationspolitik. Entgegen meiner Überzeugung gab ich meine E-Mailadresse raus. Meine Klasse bekam jede Woche einen Wochenplan, auf dem es auch ein Feld Elternpost mit einigen kurzen Infos zum aktuellen Geschehen gab. Diese Maßnahmen gab es für alle Eltern, mir war es wichtig, jetzt nicht nur für Frau Heinz eine Extrawurst zu braten. Ich richtete in einem vertretbaren Intervall eine offene Sprechstunde ein, in die man ohne Anmeldung kommen konnte. Und am Elternabend legte ich den Eltern ganz klar offen, welche Ziele ich mit ihren Kindern habe. Dass ich sie zu selbständigen und kompetenten Lernenden machen möchte, die Verantwortung für sich selbst übernehmen können. Ich machte deutlich, dass es viele Methoden gibt, die zum Ziel führen und ich die wähle, die zu mir und den Kindern passen.

Ich war gespannt, was passiert. Besonders darauf, ob ich jetzt mit E-Mails bombardiert werde und bei der Sprechstunde die Elternschlange bis auf den Hof reicht…
Und was ist passiert? Von Frau Heinz habe ich in den Jahren vielleicht zehn E-Mails bekommen, die meisten mit Infos, da sie auch meine Elternbeirätin wurde. Zur Sprechstunde kommt bis heute immer genau ein einziger Elternteil. Dann führe ich zehn bis fünfzehn Minuten ein kurzes, entspanntes Gespräch und alles ist gut. Die Eltern sind ganz offen sehr dankbar, dass ich diese Möglichkeit zur Verfügung stelle und wissen das zu schätzen.

Was wurde aus Frau Heinz? In einem Halbjahresgespräch entschuldigte sie sich für ihr Verhalten. Sie sagte mir, sie schätze meinen Unterricht sehr und würde erst jetzt erkennen, welch wichtige Dinge die Kinder bei mir lernen.
Ich kann sagen, das ging runter wie Öl und ließ mich ungefähr eine Woche einen halben Meter über den Boden schweben. Diese Geste rechne ich ihr bis heute hoch an und verkehrte unser Verhältnis ins absolute Gegenteil. Sie begann mich zu unterstützen, wenn ich neue Sachen ausprobieren wollte und wir führten nur noch angenehme Gespräche in fast freundschaftlicher Atmosphäre. Ich kann nur sagen, seitdem fühle ich mich mit Elterngesprächen wohl und bekomme jetzt auch immer mal wieder auf diesem Weg Anerkennung. Auf jeden Fall fällt ein ganz großer Stressfaktor weg.

Fazit: Statt mit dem Kopf durch die Wand zu wollen, lohnt es sich ungemein, einmal radikal eine andere Perspektive einzunehmen. Ich kann jeden Lehrer nur ermutigen, dies einmal auszuprobieren. Teilt Eure Erfahrungen mit mir als Kommentar zu diesem Beitrag.

Stärken als Schulfach?

Statt ihnen immer nur zu sagen, was sie alles nicht können: Stärken von Schülerinnen und Schülern im Unterrichtsalltag ins Zentrum rücken – Geht das?

Dieser Videobeitrag aus einem Vortrag beim Hessischen Elternforum in Frankfurt am Main gibt viele Beispiele aus der Praxis und beantwortet die Frage, wie sich der Blick auf Schüler verändern muss und zwar von Seiten aller beteiligten Personen wie Lehrer und Eltern.

Eltern aus der Hölle

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Unter diesem Slogan hat jeder Lehrer direkt ein Bild vor Augen. Eltern die gefühlt jede Woche im Türrahmen stehen und nur mal kurz eine Frage haben. Oder solche, die die Gesetztexte scheinbar auswendig zu kennen scheinen, deren Kinder „nie“ angefangen haben und die im Bildungsdschungel an jeder Ecke eine elementare Gefahr für ihre liebsten Sprösslinge vermuten. Die hartnäckigsten von ihnen scheinen die Nummer des staatlichen Schulamts direkt im Handy eingespeichert zu haben, direkt unter der Nummer ihres Anwalts.Dank ihnen scheinen Elternabende ewig zu dauern und der Wunsch zum Elterngespräch wirkt vorab wie eine Drohung.

Wie weniger stressig wäre unser Lehreralltag, wenn Eltern in der Schule einfach kein Mitspracherecht hätten, wenn Eltern einfach draußen bleiben müssten… Hach, wäre das schön! Oder doch nicht?
Was wäre wenn es auch einen anderen Weg gäbe, in dem es ein Auskommen zwischen Lehrern und Eltern gibt? Was wäre wenn Gespräche auf Augenhöhe stattfänden und von gegenseitiger Achtung und Wertschätzung geprägt wären? Wenn die Erwartung eines Gesprächs keine negativen Gefühle mehr auslöst?

Die gute Nachricht ist: das geht! Auch mit schwierigen Eltern muss die Situation nicht eskalieren, es gibt eine große Chance, eine gute gemeinsame Basis zu entwickeln, so dass die Elternarbeit tatsächlich sogar eine Unterstützung darstellen kann.
Die „schlechte“ Nachricht: Die Grundlagenarbeit dafür müssen wir Lehrer tun. Wir können nicht erwarten, dass sich das automatisch aus der Elternschaft ergibt. Wir müssen den Nährboden legen, aber die Belohnung kann dann eine sehr entspannte Zeit mit den Eltern der uns anvertrauten Kinder sein. Was im Übrigen auch in jedem Fall im Sinne der Kinder ist, die von einem solch entspannten Verhältnis auch nur profitieren können.

Wie das geht? Das zeigt ein Videoblog der in Kürze an dieser Stelle in mehreren Teilen praktische Tipps und Hilfestellungen bietet. Wer also mehr wissen möchte: Dranbleiben!

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Auf Augenhöhe – Das Lehrer-Schüler-Eltern-Gespräch

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Kinder sollten in der Schule nicht zum Objekt werden und sich dadurch als hilflos in ihrem eigenen Lernprozess erleben.
Erfreulicherweise scheint dies in immer mehr Schulen anzukommen und Kinder bekommen zusehends ein Mitspracherecht, wenn es um schulische Dinge geht.
Was im Unterricht immer mehr Routine bekommt, ist in anderen Teilen des Schullebens oft noch eine Ausnahme. Besonders drastisch zeigt sich dies bei Elterngesprächen, insbesondere in der Grundschule. Da man per se davon ausgeht, dass Kinder in dieser Altersstufe noch zu jung seien, um zu verstehen, was in solchen Gesprächen vor sich geht. 
Aus Sicht des Kindes muss dann das Geschehen zwischen Eltern und Lehrern wie eine Black Box erscheinen. Man weiß nicht, was „drinnen“ passiert und kann auch nicht vorhersagen, was „hinten“ rauskommt. Jedes Kind muss sich also darauf verlassen, dass ihm oder ihr erzählt wird, was besprochen wurde. Wer unter diesen Bedingungen erwartet, dass Kinder sich für ihren eigenen Lernprozess verantwortlich fühlen: Fehlanzeige!

Dabei gibt es auch hier ein probates und bereits erprobtes Mittel, welches unter dem sperrigen Titel „Lehrer – Eltern –Schüler – Gespräch“ läuft. 
Und bevor hier kritische Gegenstimmen auftauchen: Ja, man kann dies auch schon in der Grundschule durchführen. 
Tatsächlich sitzen bei einem solchen Gespräch Lehrer, Eltern und Kind an einem Tisch. Für die Kinder oft eine sehr ungewohnte Situation, die ihnen gerne die Sprache verschlägt. Darum ist es zwingend erforderlich, dass ein solches Gespräch vorbereitet ist. Beachtet man dies und befolgt dann noch ein paar einfache Schritte bei der Durchführung, erlebt man direkt und unmittelbar, wie Kinder in und an einem solchen Gespräch wachsen können.
Wenn es gut läuft, verlassen Eltern und Kind beschwingt oder wenigstens gut gelaunt den Gesprächsraum, aber mindestens um eine Erfahrung reicher. Geht nur, wenn man die heiklen Themen außen vor lässt? Mitnichten! Gerade für „schwierige“ Schüler ist ein solches Gespräch oft eine sehr wohltuende und wichtige Erfahrung. 
Die Gestaltung der Gelingens Bedingungen liegen dabei beim Lehrer und dieser sollte sich dies auch hier unbedingt nicht aus der Hand nehmen lassen.

Die wichtigsten Elemente eines solchen Gesprächs im Überblick:

Die Vorbereitung
Sie ist das A und O und dabei mit wenig Aufwand zu bewerkstelligen. Steht ein Gespräch an, dann bekommen Eltern und das Kind von mir jeweils einen Fragebogen mit der Bitte, ihn zum Gespräch ausgefüllt mitzubringen. Auch hier ist weniger mehr: Mein Fragebogen hat genau nur drei Fragen:

  • Dies sind meine Stärken, diese Dinge fallen mir leicht und machen mir Spaß.
  • Hier brauche ich noch Unterstützung / Hilfe oder möchte ich mich verbessern.
  • Ich wünsche mir folgende Unterstützung von meinem Lehrer / meinen Eltern.

Das Gespräch
Das Gespräch selbst folgt ebenfalls der Struktur des Fragebogens. Oberste Gesprächsregel: Zunächst redet das Kind und darf dabei alles erzählen, was ihm oder ihr zu der ersten Frage einfällt. Ich unterstütze dies noch durch Bilder, die zeigen, was wir in der Schule alles machen, da den Kindern oft nicht alles in der Aufregung einfällt. 
Wenn das Kind diesen Teil beendet hat, ergänze ich die Aussagen des Kindes aus meiner Sicht. Am Schluss sind die Eltern dran und können ebenfalls etwas dazu sagen.
Die strikte Einhaltung dieser Struktur ist besonders bezogen auf den Anfang besonders wichtig, denn er erfüllt mehrere Funktionen: Wenn das Kind erst einmal ausführlich erzählen darf, welche positiven Dinge es in Schule für ihn oder sie gibt, bricht dies das Eis und auch schüchterne Kinder finden eher einen Einstieg in das Gespräch. Positive Dinge kommen leider oft zu kurz, weil das Gespräch über Probleme oft viel zeitlichen Raum einnimmt. Positive Dinge werden gerne mit „naja, das läuft ja!“ abgetan. Da ist man sich in der Regel einig und braucht nicht lange darüber diskutieren. Stärken sind die Ressource, aus der Kinder die Kraft schöpfen können, auch schwierige Dinge angehen zu können. Darum brauchen diese eine besondere Würdigung. Besonders wirkt dies natürlich, wenn diese Würdigung auch vor den Eltern stattfindet. Dem Kind wird deutlich, dass es die Hauptperson des Gesprächs ist. Schließlich soll mit dem Kind und nicht in Anwesenheit des Kindes über das Kind gesprochen werden. Dies ist ein höchst wichtiger Unterschied, der den Erfolg des Gesprächs ausmacht.

Jetzt kommt die 2. Runde. Die Kinder sind wieder dran und erzählen aus ihrer Sicht, welche Bereiche sie verbessern möchten. Erst wenn das Kind fertig ist, ergänze ich wieder und zum Schluss die Eltern. 
Ich habe bis jetzt bei jedem Gespräch, und dies meine ich wirklich ohne Ausnahme, feststellen dürfen, dass Kinder sich sehr realistisch einschätzen und selbst den „Finger in die Wunde“ legen. Dies kann man nutzen, um direkt das nächste Lob anzuschließen: „Ich finde es richtig toll, wie gut du dich selbst einschätzen kannst, denn dies habe ich auch sagen wollen.“ 
So wird das Reden über schwierigere Dinge auch nicht unangenehm, denn die „Kritik“ kommt nicht von oben und daher wertend, sondern orientiert sich am Kind und man kann dann sehr schnell in Richtung Lösung denken.

Der letzte Punkt, welche Unterstützung wird gewünscht, beginnt ebenfalls mit der Sicht des Kindes und es wird gemeinsam überlegt, welche Angebote die Schule und / oder die Eltern machen können, um dem gerecht zu werden. Das Kind bekommt das Gefühl, dass es um seine Bedürfnisse geht und damit sind vereinbarte Maßnahmen gleich viel wirkungsvoller.

Das Gespräch war erfolgreich wenn: Die Eltern am Ende aufstehen und sagen, sie können gar nichts mehr ergänzen, weil bereits alles gesagt wurde. Denn dann ist das Gespräch wirklich mit dem Kind geführt worden und die Eltern waren mehr oder weniger Zuschauer. Das Kind am Ende des Gesprächs sagen kann, dass es richtig eingeschätzt wurde und sich in den Schilderungen wiederfinden konnte. Ich frage die Kinder unmittelbar nach dem Gespräch nach ihrem Eindruck. So finde ich heraus, ob noch irgendein wichtiger Punkt nicht angeschnitten wurde.

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Als Lehrer gewinnen Sie aus diesem Gespräch:

  • Oftmals einen tieferen Einblick in ihre Schülerinnen und Schüler als nach mehreren Wochen Unterricht.
  • Ein „Vertrauensguthaben“ auf dem Beziehungskonto zu Ihren Schülern, da Sie gezeigt haben, dass Sie Transparenz und Offenheit schaffen und den Schüler oder die Schülerin als Person sehen, die es verdient wertgeschätzt zu werden. Dieses Guthaben macht sich in stressigen Situationen unglaublich bezahlt.
  • Sie können mit Stolz von sich behaupten, Ihren Schülerinnen und Schülern ein Stück Persönlichkeitsentwicklung gegeben zu haben.
  • Sie werden Anerkennung erhalten, von Schülern und Eltern.

Haben Sie Mut und probieren Sie es aus. Ich freue mich auch über Erfahrungsberichte als Kommentar unter diesem Beitrag.

Der erste Schultag

Noch ist es ruhig in Hessens Klassenräumen. Wie geht es wohl Hessens Schülern und Lehrern in der letzten Woche? Wie viele sitzen wohl zu Hause mit Vorfreude, Zweifeln oder sogar Angst? Es steht fast zu befürchten, dass Vorfreude bei der Mehrzahl nicht überwiegt.

Wie wäre es aber, wenn Kinder es kaum erwarten könnten, endlich wieder in die Schule gehen zu dürfen? Wenn sie ungeduldig am Schulzaun stehen würden und darauf hofften, dass es bald wieder los geht?

Wie müsste ein richtig guter erster Schultag für Schüler UND Lehrer aussehen, damit sich alle darauf freuen?
Teilt eure Ideen mit uns, vielleicht können wir ja etwas davon wahr machen. 😉

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Was sind eigentlich Stärken?

Habe ich ohne großen Hintergedanken meine Schüler im ersten und zweiten Schuljahr gefragt. Nach kurzer Pause kam dann doch durchaus souverän die Antwort: „Das ist etwas, was man gut kann.“

Dadurch angespornt habe ich gleich weiter gefragt: „Und wie erkennt man das?“ Die erste Spontanreaktion war Achselzucken. Mir hat das keine Ruhe gelassen und darum wollte ich das dann auch genauer wissen. Ich bohrte daher weiter, wie meine Zuhörerschaft nun ihre eigenen Stärken herausfinden könnte.
Der erste ernstgemeinte Vorschlag war dann: „Ich bin gut darin, wo ich wenig Fehler mache.“ Sicherlich nicht verkehrt, aber die bloße Abwesenheit von Fehlern als Definition von einer Stärke hinterließ ein Gefühl der Unzufriedenheit. Weiterhin schlugen meine Schüler vor, um das heraus zu finden könne man doch auch andere fragen.

Wir haben das dann gleich in die Tat umgesetzt. „Frage deine Freunde, was du gut kannst.“ Mit dieser Aufgabenstellung haben sich die Kinder also selbst interviewt. Heraus kamen Rückmeldungen etwa in dieser Art:

„Du bist gut in Mathe und Seil springen.“
„Du kannst gut lesen und schreiben.“
„Du kannst gut rechnen, lesen und du malst schön.“

Ich möchte diese Ergebnisse nicht klein reden, aber diese Definitionen als vollständiges Stärkenprofil meiner Schüler zu betrachten erschien mir indes doch zu dünn.
Erschreckenderweise konnten sie eine wesentlich detailliertere Auslunft über die Dinge geben, die sie nicht können.

Die Frage war im Moment nicht zu klären, ließ mir aber keine Ruhe. Da muss es doch mehr geben, um über die Stärken meiner Schüler etwas herauszufinden. Also machte ich mich auf die Suche. Sobald ich Ergebnisse habe, werden sie hier zu lesen sein.